Aus der Schande tausendjähriger Entwürdigung als Kreatur der Männer ist das Weib erwacht. Es will Mensch sein, die Rechte und Anerkennung des Menschen haben. Daß die kämpfenden Frauen unserer Tage im Langen nach dem Gute der Freiheit vorbeigreifen und statt Menschenrechte Männerrechte begehren, soll uns nicht verdrießen. Die Not und die Verstocktheit der Zeit hat den Frauen Männerpflichten auferlegt. Vielleicht schafft sich doch einmal die Einsicht Bahn, daß nun nicht die Assimilation ans andere Geschlecht, sondern die Befreiung von seiner Herrschaft – das ist die Freiheit des Weibes in Liebe und Mutterschaft – das Glück des Frauentums wäre. Sie müssen ihre Ziele weit setzen, die Frauen, die in den Kampf getreten sind. Die Neubildung aller gesellschaftlichen Formen auf dem Boden des Mutterrechts müssen sie verlangen. Wenn sie es dann einmal erreichen, daß kein Weib mehr ein anderes deswegen verachtet, weil es Mutter ist, dann müssen sie die Genugtuung fühlen, daß ihr Werben und Kämpfen nicht umsonst war, wie sie selbst Zeugnis dafür sein sollten, daß die herrlichen Frauen der Romantik nicht umsonst die Vorbilder freier, schöner Weiblichkeit waren.
— Erich Mühsam, Idealistisches Manifest