\documentclass[a4paper]{scrartcl} \usepackage{palatino} \usepackage{amsmath} \usepackage{graphicx} \usepackage{enumerate} \usepackage[ngerman]{babel} \usepackage[latin1]{inputenc} \areaset{17cm}{24cm} \parindent0pt \begin{document} \section*{\LARGE Taylor-Reihen} \rightline{Mathematik GLF 12/2 2006} \rightline{Christian Neukirchen} \section{Einführung} Oft können wir bestimmte mathematische Funktionen nicht genau ausrechnen, besonders die trigonometrischen Funktionen wie $\sin x$, $\cos x$, oder die $e$-Funktion $e^x$ bereiten Probleme beim Auf- und Ableiten. Es ist daher hilfreich, eine \emph{Näherung} zu bestimmen, um so wenigstens einen ungefähren Wert zu erhalten, der nicht all zu fern vom exakten Wert ist. Eine Möglichkeit, solche Nährungsfunktionen zu bilden, sind \emph{Taylor-Reihen}. Taylor-Reihen helfen uns, ein Taylor-Polynom $T(x)$ zu berechnen, das eine Funktion $f(x)$ in der Umgebung eines Punktes~$a$ annähert. Die allgemeine Form der Taylor-Reihe lautet: %%% FIXME \begin{align*} T(x) &= \sum_{n=0}^{\infty}{f^{(n)}(a) \over n!}(x-a)^n\\ &= f(a) + {f'(a)\over1!}\cdot(x-a)^1 + {f''(a)\over2!}\cdot(x-a)^2 + {f'''(a)\over3!}\cdot(x-a)^3 + {f''''(a)\over4!}\cdot(x-a)^4 \cdots \end{align*} (Hier sei $f^{(n)}$ die $n$-te Ableitung von $f(x)$ und $n!$ die $n$-te Fakultät ($1\cdot2\cdot3\cdots n-1\cdot n$.)) Oft setzt man $a=0$ (diesen Fall nennt man auch \emph{Maclaurin-Reihe}), was die Formel etwas übersichtlicher macht: \begin{equation*} T(x) = f(0) + {f'(0)\over1!}\cdot x^1 + {f''(0)\over2!}\cdot x^2 + {f'''(0)\over3!}\cdot x^3 + {f''''(0)\over4!}\cdot x^4 \cdots \end{equation*} Wir werden im Folgenden vor allem Maclaurin-Reihen betrachten, dies alles funktioniert aber auch mit $a\neq 0$. \section{Berechnen von $\sin x$} Wir wollen nun ein Taylor-Polynom vierten Grades von $\sin x$ berechnen. Dazu leiten wir erst mal ab, und berechnen alle $f^{n}(0)$. \begin{align*} f(x) &= \sin x&\qquad f(0)&=0\\ f'(x) &= \cos x&f'(0)&=1\\ f''(x) &= -\sin x&f''(0)&=0\\ f'''(x) &= -\cos x&f'''(0)&=-1\\ f''''(x) &= \sin x&f''''(0)&=0\\ f'''''(x) &= \cos x&f''''(0)&=1 \end{align*} Hier unsere Taylor-Reihe, ausgeschrieben bis 5. Die Fakultäten wurden bereits ausgerechnet: \begin{equation*} f(0) + {f'(0)}\cdot{}x + {f''(0) \over 2}\cdot x^2 + {f'''(0) \over 6}\cdot x^3 + {f''''(0) \over 24}\cdot x^4 + {f'''''(0) \over 120}\cdot x^5 \end{equation*} Jetzt können wir die oben berechneten Werte einsetzen, vereinfachen, und erhalten: \begin{equation*} x - {x^3 \over 6} + {x^5 \over 120} \end{equation*} Verschiedene Taylor-Polynome im Vergleich (Wenn wir den Definitionsbereich von $\sin x$ beachten, liefert schon $T(5)$ eine sehr gute Annäherung): \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.98\textwidth]{sinus} \end{figure} \section{Berechnen von $e^x$} Nun wollen wir $e^x$ bestimmen. Glücklicherweise ist hier das Ableiten ganz einfach: \begin{align*} f(x) &= e^x&f(0)&=1\\ f'(x) &= e^x&f'(0)&=1\\ f''(x) &= e^x&f''(0)&=1\\ f'''(x) &= e^x&f'''(0)&=1\\ f''''(x) &= e^x&f''''(0)&=1 \end{align*} Wir nehmen wieder das allgemeine Taylor-Polynom vierten Grades: \begin{equation*} f(0) + {f'(0)}\cdot{}x + {f''(0) \over 2}\cdot x^2 + {f'''(0) \over 6}\cdot x^3 + {f''''(0) \over 24}\cdot x^4 \end{equation*} Setzen ein und vereinfachen: \begin{equation*} 1 + x + {1\over2}x^2 + {1\over6}x^3 + {1\over24}x^4 \end{equation*} \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.75\textwidth]{e} \end{figure} Wenn wir die Annäherung in verschiedener Genauigkeit vergleichen, sieht man, wie sie recht schnell gegen $e$ konvergiert. (Beachte: $1$ liegt nahe bei $0$) \begin{align*} e &\approx 2.718281828\\ T(2) &\approx 2.500000000\\ T(5) &\approx 2.716666667\\ T(10) &\approx 2.718281801 \end{align*} \section{Nützliche Taylor-Reihen} Viele Funktionen können geschickt durch Taylor-Reihen angenähert werden, hier einige Beispiele: \begin{align*} \sin x &\approx x - \frac{x^3}{3!} + \frac{x^5}{5!} - \frac{x^7}{7!} + \frac{x^9}{9!} - \frac{x^{11}}{11!} + \frac{x^{13}}{13!}\cdots\\[1em] \cos x &\approx 1 - \frac{x^2}{2!} + \frac{x^4}{4!} - \frac{x^6}{6!} + \frac{x^8}{8!} - \frac{x^{10}}{10!} + \frac{x^{12}}{12!} - \frac{x^{14}}{14!}\cdots\\[1em] e^x &\approx 1 + x + \frac{x^2}{2!} + \frac{x^3}{3!} + \frac{x^4}{4!} + \frac{x^5}{5!} + \frac{x^6}{6!} + \frac{x^7}{7!} + \frac{x^8}{8!} + \frac{x^9}{9!} + \frac{x^{10}}{10!}\cdots\\[1em] \ln (x+1) &\approx x - \frac{x^2}{2} + \frac{x^3}{3} - \frac{x^4}{4} + \frac{x^5}{5} - \frac{x^6}{6} + \frac{x^7}{7} - \frac{x^8}{8} + \frac{x^9}{9} - \frac{x^{10}}{10} \cdots\\[1em] \pi\over4 &\approx 1 - \frac{1}{3} + \frac{1}{5} - \frac{1}{7} + \frac{1}{9} - \frac{1}{11} + \frac{1}{13}\cdots \end{align*} \section{Beispiel: Integrieren von $(\sin x)/(x+1)$} Zum Abschluss wollen wir $(\sin x)/(x+1)$ ableiten. Dies ist mit algebraischen Mitteln nicht möglich; will man einen Zahlenwert erhalten, kann man nur annähern. Man leitet also ein paar mal ab: \begin{align} f(x) &= {{\sin x}\over{x+1}} & f(0) &= 0\\ f'(x) &= {{-\sin x-x\,\cos x-\cos x}\over{\left(x+1\right)^2}} & f'(0) &= 1\\ f''(x) &= {{-x^2\,\sin x+2\,x\,\sin x-\sin x+2\,x\,\cos x+2\,\cos x}\over{ \left(x+1\right)^3}} & f''(0) &= -2 \end{align} Wie man sieht, wird das schnell unhandlich. Glücklicherweise kann man, hat man einige Glieder berechnet, oft auf die Folge schließen. ($f'''(0) = 5$). Wir nehmen also wieder unser Taylorpolynom; der Einfachheit halber nur dritten Grades: \begin{equation*} f(a) + {f'(a) \over 1!}(x-a) + {f''(a) \over 2!}(x-a)^2 + {f'''(a) \over 3!}(x-a)^3 \end{equation*} Und setzen wieder ein: \begin{equation*} 0 + {1}\cdot{}x + {-2 \over 2}\cdot x^2 + {5 \over 6}\cdot x^3 \quad=\quad x - x^2 + {5 \over 6}x^3 \end{equation*} Für einen Computer sind diese Berechnung kein Problem, daher noch einige Glieder mehr: \begin{equation*} x - x^2 + \frac{5\,x^3}{6} - \frac{5\,x^4}{6} + \frac{101\,x^5}{120} - \frac{101\,x^6}{120} + \frac{4241\,x^7}{5040} - \frac{4241\,x^8}{5040} + \frac{305353\,x^9}{362880} - \frac{305353\,x^{10}}{362880} \end{equation*} Nun können wir verschiedene Integrale vergleichen: \begin{align*} \int_0^{1\over4}{{\sin x \over x+1} dx} &\approx 0.0267209\\ \int_0^{1\over4}{T(2) dx} &\approx 0.0260417& \int_0^{1\over4}{T(5) dx} &\approx 0.026727& \int_0^{1\over4}{T(10) dx} &\approx 0.0267209\\[1.5em] \int_0^1{{\sin x \over x+1} dx} &\approx 0.284227\\ \int_0^1{T(2) dx} &\approx 0.166667& \int_0^1{T(5) dx} &\approx 0.348611& \int_0^1{T(10) dx} &\approx 0.24771\\[1.5em] \int_0^2{{\sin x \over x+1} dx} &\approx 0.670911\\ \int_0^2{T(2) dx} &\approx -0.666667& \int_0^2{T(5) dx} &\approx 6.31111& \int_0^2{T(10) dx} &\approx -100.523\\ \int_0^2{T_1(10) dx} &\approx 0.670931 \end{align*} \pagebreak Merke: Will man mit einer Taylor-Reihe gut annähern ist zu beachten (vgl. auch Newton-Verfahren): \begin{enumerate}[(a)] \item ausreichend Glieder zu berechnen \item den Startpunkt geschickt zu wählen (vgl. $T(10)$ mit $T_1(10)$, letzteres wurde mit $a=1$ berechnet.). \end{enumerate} \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.98\textwidth]{sinx} \end{figure} \section{Zusammenfassung} Taylor-Reihen erlauben uns, ein Polynom zu finden, das eine beliebige Funktion, die genügend oft differenzierbar ist, in der Nähe einer Umgebung anzunähern. In Handarbeit Taylor-Reihen zu berechnen erinnert eher an eine Strafarbeit; für Computer ist es jedoch kein Problem, Taylor-Polynome für beliebige Grade herzustellen. Gerade in diesem Bereich finden sie auch die meiste Anwendung. Die Sinus-Funktion im Taschenrechner kennt zum Beispiel einfach ein bestimmtes Taylor-Polynom und kann so beliebige Werte von $\sin x$ mit den Grundrechenarten bestimmen. \end{document}