\chapter{Wirkung und Metabolismus eines Pestizids \dominic} \section{Wirkung der Pestizide} Pestizide entfalten ihre Wirkung auf verschiedenste Weise. Zum einen wirken die Pestizidgruppen gegen unterschiedliche Schadorganismen, zum anderen wirken auch in den Pestizidgruppen die eigentlichen Wirkstoffe verschiedenartig. Einige exemplarische Wirkungen von Pestiziden werden an Beispielen aufgezeigt und besprochen. %Fungizide \quellex{Sachkundig im Pflanzenschutz; Arbeitshilfe zum Erlangen des Sachkundenachweises im Pflanzenschutz mit einem Fragenkatalog als Beilage; Dr. Klaus König, W. Klein, W. Gabler; 2. überarbeitete Auflage; BLV Verlagsgesellschaft mbH, München, 1988; (ISBN 3-405-13595-8)} Bei den Fungiziden z.B. ist die Auswahl der Wirkstoffe unter dem Gesichtspunkt der Wirkungsbreite und der Vermeidung von Resistenzbildung beim Schadenserreger zu treffen. Die Kontaktfungizide greifen den Stoffwechsel der Schadpilze gleichzeitig an mehreren Stellen an, sie wirken unspezifisch und besitzen somit ein größeres Erregerspektrum und die Gefahr der Resistenzbildung ist als gering zu betrachten. Dagegen haben systematische Fungizide meist sehr spezifische Wirkungsweisen, greifen den Stoffwechsel der Schadpilze primär nur an einem Wirkungsort an und das Risiko resistenter Erregerformen ist hoch. Aus den Gründen für die Anwendung von Pestiziden und aus den Eigenschaften leiten sich schon einige allgemeine Wirkungen der Pestizide ab. Sie werden unter anderem dafür eingesetzt, um durch Schwächung oder Vernichtung von Schädlingen oder Unkraut die Ernte und Produktion zu sichern. Sobald die Pestizide ausgebracht sind kann sich ihre Wirkung voll entfalten. Die einzelnen Pestizidgruppen zielen auf ihre spezifischen Zielorganismen. Dabei gibt es verschiedene Wege, diese Zielorganismen zu erreichen. So erreichen Herbizide diese schon durch Kontakt mit den Unkräutern, ein Molluskizide jedoch, das als Fraßgift wirkt, muss erst vom betreffenden Schädling aufgenommen werden, um seine Wirkung entfalten zu können. Daher wird zwischen der Fraß-, Kontakt- und Atmungsgiftwirkung unterschieden. Charakteristisch für Pestizide ist ihre toxische Wirkung. \quellex{Folienserie des Fonds der Chemischen Industrie, Textheft 10; Pflanzenschutz; Hrsg. Fonds der chemischen Industrie zur Förderung der Chemie und biologischen Chemie im Verband der Chemischen Industrie, Karlstraße 21, 6000 Frankfurt/Main, November 1992; (ISSN 0174-366 X)} \quelle{http://www.free.de/WiLa/derik/HSM.Einleitung.html} Es gibt verschiedene Formen der toxischen Wirkung. Die akute Toxizität wird in Untersuchungen mit Versuchstieren, meist Ratten, ermittelt und ist in drei Formen aufgeteilt. Die \emph{orale}, d.h. einmalige Verabreichung des Wirkstoffes mittels Schlundsonde direkt in den Magen, \emph{kutane}, d.h. einmaliger Kontakt des Stoffes mit einer rasierten Hautstelle und \emph{inhalative} Toxizität, d.h. einmalige Aufnahme durch die Atmung. Des Weiteren gibt es Hautreizwirkungen und Schleimhautreizwirkungen, die an Kaninchen getestet werden. Weitere Arten der toxischen Wirkung sind die \emph{subchronische} und \emph{chronische} Toxizität. Die Untersuchung auf subchronische Toxizität verläuft 90 Tage, die Untersuchung der chronischen Toxizität mindestens 2 Jahre. Diese Untersuchungen werden dazu benutzt, das toxikologische Wirkprofil zu ermitteln, d.h. die Zielorgane der toxischen Schädigung und das für den Wirkstoff typische Schädigungsbild. Zuletzt werden in speziellen Untersuchungen die Kanzerogenität, Untersuchung ob und ab welcher Konzentration Wirkstoffe Tumore auslösen oder fördern, Mutagenität, Untersuchung auf Gen-Mutation, Chromosomen-Mutation und Mitose-hemmende Eigenschaften, und die Teratogenität, Untersuchung auf den Embryo-schädigende Eigenschaften, bestimmt. Außerdem können Wirkstoffe auch eine Reproduktionstoxizität besitzen, die in einem 2-Generationen-Reproduktionsversuch an Ratten aufzeigt, ob die Aufnahme des Wirkstoffes durch Elternteile negative Auswirkungen auf folgende Generationen hat. \quellec[91]{http://www.free.de/WiLa/derik/HSM.Einleitung.html} Zu den Wirkungen von Pestiziden zählen auch die Gifteffekte am Zielorgan, bzw. Wirkungsort. Als Beispiel für mögliche Wirkungen wird das Pentachlorphenol (PCP), ein seit 1989 in Deutschland verbotener, stark bakterizid, fungizid und insektizid wirkender Wirkstoff, in seinen Wirkungen bei einer vergifteten Person betrachtet. \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=3cm]{formeln/pentachlorphenol} \caption{Strukturformel von Pentachlorphenol} \end{figure} \begin{enumerate}[(a)] \item Physikalisch-chemische Eigenschaften: \begin{tabular}{ll} rel. Molekülmasse: &266,3\\ Schmelzpunkt (°C): &191,0\\ Siedepunkt (°C): &309--310\\ Dampfdruck (hPa, 20°C): &\Z[5,1]{--5}\\ Löslichkeit in Wasser (g/L, 20°C):&pH 5: 14\\ \end{tabular} \pagebreak \item Grenzwerte: \begin{tabular}{ll} NOEL &---\\ ADI &3 mg/kg KG/d\\ LD$_{50}$ (Ratte, or.) &50 mg/kg\\ MAK &0,5 mg/m\cube\\ MIK &---\\ \end{tabular} \end{enumerate} \quellec[91]{http://www.free.de/WiLa/derik/HSM.Einleitung.html} \quelle{http://www.biologie.uni-regensburg.de/Biochemie/Tschochner/pdf/oxphossem\_051103.pdf} \quelle{http://www.uni-leipzig.de/~biochem/V2004/OxPhos\_04.html} Pentachlorphenol gilt als hochtoxisch, es besitzt kanzerogene und mutagene Wirkung. Es wird vorwiegend über die Haut und die Atemwege aufgenommen. Sobald der Wirkstoff im Körper ist, bindet er sich an die Plasmaproteine des Blutes, wodurch er im Körper weitertransportiert wird. Die höchste Konzentration des Wirkstoffes findet sich in Leber und Niere, etwas weniger im Herz und in der Lunge. Als Symptome bei Vergiftung treten hier z.B. Fieber mit Herzjagen, profuses Schwitzen und beschleunigte Atmung auf. Der Wirkungsmechanismus des Pentachlorphenols wird als ``Entkoppelung der oxidativen Phosphorylierung'' beschrieben. Unter der oxidativen Phosphorylierung versteht man die ATP-Synthese in Mitochondrien, bei der die Oxidation von Substraten, wie z.B. NADH oder Succinat, über einen Protonengradienten an die ATP-Synthese gekoppelt ist. Pentachlorphenol behindert diese Synthese von ATP, indem es einen Kurzschluss im H$^\textsf{+}$-Gradienten auslöst. Dies geschieht, indem es Protonen an der Außenseite der Membran aufnimmt, in der Membran diffundiert und auf der Matrixseite auftaucht und dort Protonen auf Grund der niedrigen H$^\textsf{+}$-Konzentration wieder abgibt. Da aber durch die oxidative Phosphorylierung Energie in den Zellen gewonnen wird, sinkt die Energieausbeute in den Zellen. Die Energie, die in der Elektronentransportkette freigesetzt wird, produziert nicht ATP, sondern wird in Wärme umgewandelt. Der Körper versucht den Energiemangel durch Mehrverbrennung im Citronensäurecyclus zu kompensieren, wodurch ein größerer Sauerstoffbedarf entsteht, so dass die Atmung beschleunigt wird. Die zusätzliche Verbrennung führt dazu, dass noch mehr Wärme freigesetzt wird und der Vergiftete Fieber bekommt. Häufig ist bei schweren Vergiftungen die erhöhte Körpertemperatur die Todesursache. \section{Metabolismus der Pestizide} \label{sec:metabolismus} Metabolismus ist die \begin{quotation} \noindent \quellex{Microsoft Encarta Enzyklopädie 2005} Bezeichnung für die chemischen Reaktionen, mit denen die Zellen eines Lebewesens Energie umsetzen, ihre Identität aufrechterhalten und sich vermehren. Alle Lebewesen, von den einzelligen Algen bis zu den Säugern, sind von vielen hundert gleichzeitig ablaufenden, genau gesteuerten Stoffwechselreaktionen abhängig -- beginnend mit der Entstehung des Organismus, über Wachstum und Reifung bis zum Lebensende. Ausgelöst, kontrolliert und beendet wird jede einzelne derartige Reaktion von besonderen Enzymen (biologischen Katalysatoren) in den Zellen, und alle diese Reaktionen werden im Lebewesen exakt gesteuert und koordiniert. \end{quotation} Der Metabolismus ist in Bezug auf Pestizide im erweiterten Sinne zu verstehen, nicht nur als Summe der regulären biochemischen Umbildungen von Nährstoffen in Energie und Körperbestandteile, sondern als Gesamtheit chemischer Umwandlungen der Vielzahl von natürlichen und synthetischen Fremdmolekülen, die in den Organismus aufgenommen werden. So z.B. der Weg eines Pestizids durch den Stoffwechsel eines Organismus, in dem das Pestizid über Metabolisierungsprozesse chemisch verändert wird. Die metabolischen Reaktionen werden eingeteilt in \begin{enumerate}[(a)] \item strukturveränderne Reaktionen, die meist nur den ersten Schritt bilden auf dem Weg zu möglicherweise aktiveren Produkten. Es finden Hydrolysen, Oxidationen und Reduktionen statt. \item aufbauende Reaktionen unter anderem mit Glucuronsäure, Schwefelsäure, Essigsäure oder Aminosäuren in meist inaktive, wasserlösliche, so genannte Konjugate. \end{enumerate} \quellex{Chemie der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel; Hrsg. R. Wegler; Band 1; Springer-Verlag Berlin -- Heidelberg -- New York 1970} Der Um- und Abbau der Fremdstoffe im Körper findet über Enzyme statt. Es gibt einige besondere Enzymsysteme für Fremdstoffe, meist greifen auch die Katalysatoren des körpereigenen Stoffwechsels ein. Die Fremdstoffe werden oftmals auch in verschiedene Metaboliten biotransformiert und auf mehrere Weisen ausgeschieden. Der biologische Umbau ist für die Wirkung von großer Bedeutung und kann sie sehr beeinflussen. \section{Das Beispiel Parathion} \quellec[95]{Chemie der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel; Hrsg. R. Wegler; Band 1; Springer-Verlag Berlin -- Heidelberg -- New York 1970} \quellex{Kleine Giftkunde; Gisela Wurm; 5. vollständig überarbeitete Auflage; Govi-Verlag, 1996} Am Beispiel Parathion wollen wir die Wirkung und den Metabolismus verfolgen. Parathion besitzt eine Wirkung als Acetylcholinesterasehemmer. Nachdem das Wirkstoffpräparat mit Parathion ausgebracht wurde und auf die Pflanze gelangt, wird es innerhalb von zwei Tagen vollständig von den Blättern aufgenommen. Es verteilt sich in der Pflanze und sobald ein Schädling die Pflanze oder einen Teil davon frisst, ist das Gift in den Magen des Schädlings gelangt. Die Wirkung des Parathions lässt sich im menschlichen Organismus zeigen. Im menschlichen Körper beginnt der Wirkstoff die Acetylcholinesterasen zu besetzen. Acetylcholinesterasen sind die Enzyme, die vorübergehend das Acetylcholin, eine Überträgerersubstanz, die bei eintreffendem Reiz aus Vesikeln (Vorratsbehältern) der Nervenendigungen freigesetzt wird und mit den Rezeptoren der subsynaptischen Membran reagiert, binden und zu Cholin und Acetat hydrolisieren. Das verursacht eine Anreicherung des Acetylcholins und es kommt schließlich zu einer ``endogenen Acetylcholinvregiftung''. Eine solche Vergiftung hat eine gefährliche Veränderung der normalen Erregungsübertragung zur Folge. Acetylcholinvergiftungen rufen infolge der muskarinartigen Wirkung des Acetylcholin Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfälle, Bradykardie, vermehrte Schweißbildung und übermäßige Bronchialinsekretion, die durch gleichzeitige Engstellung der Bronchien zum Tode, wie durch Ertrinken, führt. Infolge der nicotinartigen Wirkung treten fibrilläre Zuckungen, Muskelschwäche und Krämpfe auf. Zentralnervöse Erscheinungen sind Angst, Ataxie, Koma und Krämpfe mit Atemlähmungen. Der Metabolismus von Parathion setzt im Rind in Pansenflüssigkeit mit einer Reduktion von Parathion ein. Daraufhin zirkulieren Parathion, Paraoxon, Aminoparathion und Aminoparaoxon im Blut des Rindes. Ein weiterer Metabolit, das p-Aminophenol wird als Glucuronid oder Sulfonsäureester abgesondert. Die p-Amino-Derivate sind biologisch viel weniger aktiv als die Nitroderivate. Aminoparathion greift Peroxidasen in Milch weit stärker an als Parathion. Jedoch greifen Phosphorsäureester wie Parathion vorwiegend Hydrolasen an. Die selektive Toxizität könnte mit der Tatsache, dass bei Hausfliegen die Hydrolyse hauptsächlich an der Phenylgruppe und bei Ratten an der Methylgruppe stattfindet erklärt werden. Den genauen Weg kann man anhand der ausgeschiedenen Produkte jedoch nicht nachverfolgen. %%% Local Variables: %%% mode: latex %%% TeX-master: "doku" %%% End: